ver.di positioniert sich zu Künstlicher Intelligenz (KI)
Im Vorfeld des Digitalgipfels der Bundesregierung stellt ver.di erste gewerkschaftliche Positionen zu Künstlicher Intelligenz vor. Darin fordert ver.di eine gesellschaftliche Nützlichkeitsvision und soziale Standards.
Mit KI sollen die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten im Sinne Guter Arbeit verbessert werden. Dazu gehört, dass die Erwerbstätigen und ihre Interessenvertretungen von Beginn an bei der Konzeptionierung und Umsetzung von KI in den Unternehmen beteiligt werden. Gute Arbeit by Design ist dafür das Stichwort.
Künstliche Intelligenz – Was verbirgt sich dahinter?
KI ist kein neues Phänomen. Bereits 1955 erfand John McCarthy mit drei Kollegen das Wort „Artificial Intelligence“, also Künstliche Intelligenz. Sie wollten herausfinden, wie sie „Maschinen“ dazu bringen können, Sprache zu benutzen, Begriffe zu bilden, Probleme zu lösen, die zu lösen bisher dem Menschen vorbehalten waren, und die sich selbst zu verbessern in der Lage sind.
Dass KI heute wieder von sich Reden macht, liegt an großen Fortschritten in einem ihrer Teilbereiche. Diese haben dazu geführt, dass es nach ca. 60 Jahren zunehmend gelingt, praktische Anwendungen in Wirtschaft und Arbeitswelt nicht nur zu erproben: KI-Systeme sollen und werden nun eingesetzt beim autonomen Fahren, Übersetzen, Texterstellung, im Kundenservice beim Telefonieren, Chatten und Email-Kommunikation etc.
Im Zentrum: Maschinelles und tiefes Lernen
Der im Moment so prominente Teilbereich der KI heißt „maschinelles Lernen“. Dahinter verbirgt sich heute vor allem das „Deep Learning“ („tiefes Lernen“). Dieses „tiefe Lernen“ konnte in den letzten Jahren vor allem Fortschritte erzielen aufgrund der gestiegenen Rechen-/Speicherleistung und der zunehmenden Menge an Daten. Dabei ist u.a. die Qualität dieser Daten, mit denen die Systeme lernen bzw. mit denen sie trainiert werden, wichtig.
„Deep Learning“ basiert auf – wie die Experten sie nennen - „künstlichen neuronalen Netzen“ (KNN). Die Bezeichnung kommt wohl daher, dass sich die Experten am menschlichen Gehirn orientieren. Die Netze setzen sich aus so genannten künstlichen Neuronen bzw. „Nervenzellen“ zusammen. Dabei funktionieren diese Neuronen wie Logikschalter, heißt: Sie springen zwischen 0 oder 1, wahr oder falsch. Im Ergebnis: Die Neuronen „feuern“ oder sie „feuern nicht“.
Und ob sie feuern oder nicht ist zentral für den „Lernvorgang“, denn damit werden die Verbindungen zwischen ihnen gewichtet, sodass diese Verbindungen entweder stärker oder schwächer werden. Das KNN besteht aus Schichten von Neuronen, und zwischen einigen entstehen also „starke“ Verbindungen und am Ende ein Muster.
Sie werden nämlich durch viele Testläufe mit Daten trainiert. Bei dem Training werden die Gewichte bzw. die Stärke der Verbindungen mit einem Algorithmus angepasst, bis das Ergebnis stimmt. Ein einfaches vielzitiertes Beispiel ist das Erkennen von Bildern, bspw. von Katzen. Also, das System wird mittels vieler Katzenbilder trainiert, bis es am Ende Katzen von selbst erkennt.
Die Entscheidung, ob ein Muster in den Daten vorhanden ist (bspw. eine Katze), fällt dann das Netz. Es ist aber kaum mehr nachvollziehbar, wie genau diese Entscheidung zustande gekommen ist. Der Begriff „tiefes Lernen“ kommt daher, dass es in „tiefen Netzen“, also Netzen mit vielen Schichten solcher Neuronen stattfindet.
Das Neue: Moment der Unvorhersehbarkeit
Das Ziel für den KI-Einsatz ist entscheidend. Aber kann auch „gutgemeinte“ KI unbeabsichtigte Folgen haben? Denn erstens ist wohl nicht unbedingt nachvollziehbar, wie das Netz „lernt“ und Muster erkennt. Zweitens kommt es auf die Qualität bzw. die Quelle der Daten an, mit denen die KNN trainiert werden. Ein prominentes Beispiel ist der „rassistische“ Chatbot „Tay“ von Microsoft. Dieser Chatbot - ein Dialogsystem - sollte lernen, indem er mit Menschen auf Twitter kommuniziert. Er wurde für einen amerikanischen Jugendlichen ausgegeben. Mit der Zeit agierte er „rassistisch und sexistisch“. Microsoft erklärte, dies nicht vorhergesehen zu haben und nahm den Bot vom Netz.
Erste Anwendungen in Wirtschaft und Arbeitswelt: Chatbots
Eine der ersten Anwendungen in der Arbeitswelt sind so genannte Chatbots. Dabei handelt es sich um ein Dialogsystem, welches das Chatten mit einem technischen System erlaubt. Für sie gibt es unterschiedliche Einsatzgebiete: vom FAQ-Bot bis zum persönlichen Kaufberater können sie viele Aufgaben übernehmen. Einige Chatbots reagieren auf bestimmte Schlüsselwörter und Fragen, oder sie „lernen“ durch Gespräche mit den Kunden. Da Servicemitarbeiter*innen häufig mit denselben Fragen konfrontiert werden, werden diese zunehmend durch den Chatbot beantwortet. Anwendung finden solche Chatbots bspw. in den Finanzdienstleistungen, Reisebüros, Telekommunikation, vor allem in den Callcentern. Sie werden wohl aber in deutschen Callcentern derzeit erst erprobt.
Dazu meint der IBM-Geschäftsführer in Deutschland Matthias Hartmann, dass 70% der Anfragen in Callcentern Standardfragen sind, die Chatbots beantworten können. Und eine Studie der ver.di und der Hans-Böckler-Stiftung (HBS) zur Digitalisierung in der Callcenterbranche kommt zu dem Ergebnis, dass einfache E-Mail-Kommunikation, Chat-Anfragen, postalischer Schriftverkehr und auch ein Großteil telefonischer Anfragen durch Chatbots erledigt werden können. Ein Beispiel ist deren Anwendungen im Kundenkontaktbereich etwa der China Merchants Bank. Mit Hilfe eines Bots werden hier bis zu zwei Millionen Kundenanfragen am Tag bearbeitet, für die früher etwa 7.000 Mitarbeiter*innen eingesetzt wurden.
KI wird voraussichtlich auch beim autonomen Fahren und Fliegen, bei Übersetzungen, Textanalysen und -erstellung (im journalistischen Bereich bei v.a. Sport und Finanzen) angewendet.